12326. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Hauptquartier Hermsdorf,556-1 22. August 1760.

Ich habe den Herrn Hauptmann von Cocceji556-2 nicht abgehen lassen können, sonder Ew. Excellenz die Versicherung meines devotesten Respectes und getreuesten Attachements zu wiederholen, und da gedachter Hauptmann als ein aller Orten gegenwärtig gewesener Zeuge am besten im Stande ist, Ew. Excellenz sowohl von denen vorigen [Affaires] des Königs, die schwerlich jemand anders als Höchstdieselbe mit solcher Adresse und Sagacité wie Sie würde geführet haben, desgleichen von der vor Dieselbe so glorieux ausgefallenen Bataille und von denen Suiten derselben, auch weiteren bisherigen Vorfallenheiten wird noch mehrere Éclaircissements geben können,556-3 so werde Ew. Excellenz Zeit nicht missbrauchen, um einiges Détail deshalb weiter zu berühren.

Dass sonsten die Abreise gedachtes Herrn Hauptmanns nur allererst heute geschehen können, ist lediglich wegen der grossen Unsicherheit der Wege zwischen hier und Glogau geschehen, als welche beständig und fast unaufhörlich durch feindliche sowohl Husaren- als Kosackenpartien dies- und jenseits des Ufers der Oder bestrichen worden, dass fast kein Fussbote, geschweige ein Courier durchzubringen gewesen, bevor des Königs Majestät nicht diese Routes durch starke Commandos reinigen lassen, welches auch eher wie jetzt zu thun, Dero andere Conveniences nicht zugeben wollen. Ich wünsche nur, dass mehrgedachtes Herrn Hauptmann Reise überall beglücket sein möge.

Ich kann inzwischen hiervon noch nicht abbrechen, ohne mit wenigen noch zu sagen, dass alle treue Diener und Unterthanen des Königs den Allerhöchsten nicht gnugsam vor den glücklichen Tag des 15. dieses preisen können, da dieser einen so sehr übermächtigen als fast zur Grobheit stolz gewordenen Feind des Königs Majestät gleichsam zu einer totalen Déroute in die Hände geworfen und augenscheinliche Marquen von allerhöchster Vorsicht gegeben hat, da des Königs Majestät Sich bei solcher Gelegenheit aller nur möglichsten Gefahr exponiret haben, davon die Marque in Dero Kleider zu sehen, und das Pferd, so Sie geritten, am Halse wiederum blessiret worden, anderen zu geschweigen. Diese Action, so mit anbrechendem Tage geschehen, hat nicht länger als 7/4 Stunden gedauret, da das Laudonsche starke Corps totaliter geschlagen worden, auch noch fast mehr wie den zweiten Tome von Rossbach gemachet hat, auch vielleicht das ganze feindliche Corps destruiret oder gefangen geworden sein würde, wenn nicht die nahe Anwesenheit des Daunschen Corps des Königs Majestät behindert hätte, dass Dieselbe über die Katzbach gehen und ersteres Corps dadurch gänzlich coupiren können, und dass des Königs Majestät nicht noch den Tag Dero Sieges, nachdem die Armee noch des Vormittages um 10 Uhr zuvorderst auf de Champ de bataille ihre Victoire geschossen, Sich gegen Parchwitz lenken müssen, sowohl wegen der Jalousie, so ein russisches Corps Truppen unter dem Iwan Tschernischew, so sich vor 24000 Mann ausgab, aber effective 16000 regulärer Truppen stark und bei Auras über die Oder gegangen, auch zwischen Breslau und Neumarkt campiret war, [Ihnen gab], als endlich auch, um die Armee nothwendig wiederum mit Brod und Vivres zu rafraichiren. Die Absichten gedachten russischen Corps wurden bekannt, so von solchem ausgeführet werden sollten, wenn des Königs Majestät zuvorderst einen Échec gegen Daun gelitten haben würden. Sobald aber das Spiel eine andere Chance genommen, so retirirete sich gedachtes russische Corps sogleich wieder über die Oder und brach seine Brücke zu Auras hinter sich ab.

Von dem Laudonschen Corps seind in denen ersteren Tagen nach der Action, der einmüthigen Aussage derer Deserteurs nach, nicht mehr als ohngefähr 6000 Mann<557> zu dem Daun gestossen, und hat die mehriste Infanterie von solchen unterwegens ihr Gewehr weggeworfen. Seit der Zeit hat auch die russische Armee unter Soltykow ihre reguläre Detachements und Sauvegardes jenseits der Oder eingezogen und ihre Mouvements rückwärts gegen Polen zu, vorerst bis Militsch, gemachet; des Prinzen Heinrich Hoheit haben derselben Fuss vor Fuss gefolget und ihr so viel Schaden, wie möglich gewesen, gethan, ohne jedoch mit ihr eine Hauptaffaire engagiren zu können. Es wird sich vermuthlich in wenig Tagen zeigen, ob die russische Armee weiter gegen Polen hin und nach Kaiisch rücken, oder was sonsten ihre Absicht sein wird; denn ihre jetzige Position ihr die Substance nicht fourniren kann.

Da ich zu gleicher Zeit, als des Königs Majestät Dero glorieusen Sieg erfochten, nach Dero Disposition mit M. Mitchell und anderen eine andere Route, und zwar gegen dem Orte nehmen musste, wo des Königs Majestät Dero Lager genommen haben würden, daferne nicht ohnvermuthet die Bataille darzwischen gekommen, so wurden wir dadurch und alles, was von des Königs wegen bei uns war, dergestalt durch ein beträchtliches Corps von österreichischen Löwensteinschen Dragonern und Husaren, so herumschwärmeten und von denen Büschen und Holzungen, so wir theils passiret hatten, theils noch zu passiren waren, enclaviret, dass wir und alles, was bei uns war, in fast augenscheinlicher Gefahr standen, aufgehoben zu werden, daferne des Königs Majestät, sobald es Deroselben gemeldet worden, uns nicht sofort durch eine Escadron Husaren und drauf folgende Dragoner degagiren lassen. Ich melde dieses nur deshalb, dass, malgré le danger présent, j'ai conservé tous nos chiffres, quoique tout fût prêt pour les brûler, au cas qu'il n'y eût plus aucun moyen de les sauver,557-1 II n'y a que le seul chiffre du Roi avec la reine de Suède que je n'ai cru devoir exposer à aucun hasard. [Eichel erbittet sich eine Abschrift dieses Chiffres.]

. . . Ich habe des Königs Majestät gefraget, wie es mit Dero Briefen, welche seit der Zeit Dero Abmarsches von Dallwitz in Berlin zurückgeblieben, gehalten werden sollte; Sie haben mir darauf geantwortet, dass, da jetzo und in der grössesten Fermentation des Krieges doch in denen publiquen Affairen was besonders vorfallen könnte, also nur alles dergleichen mit anderen Briefen noch zu Berlin asserviret werden könnte, bis sich hier die Umstände noch mehr aufgekläret und gesetzet haben würden . . .

Eichel.

Auszug aus der Ausfertigung.



556-1 Hermannsdorf.

556-2 Vergl. Nr. 12316.

556-3 So.

557-1 Wohl bei dieser Gelegenheit hat Mitchell seine Chiffres verbrannt, vergl. Schäfer a. a. O. Bd. II, Th. 2, S. 50.