12339. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.

Hauptquartier Hermannsdorf bei Breslau, 29. August565-1 1760.

Ich habe fast geglaubet, dass Ihr nicht mehr im Leben wäret, da Ich, ohnerachtet Ihr vorhin fleissig zu schreiben versprochen und es Euch an Couriers nicht gefehlet, seit dem 8. Mai auch nicht ein Zeichen von Leben von Euch, noch einige Nachricht aus Konstantinopel gehabt, bis dass gestern alle Eure vier Couriers auf einmal mit Eurem Bericht vom 28. Juli hier angekommen seind.

Dass es inzwischen mit Eurer Negociation schlecht gegangen sein müsse, habe Ich daraus urtheilen können, weil so wenig die Russen als die Oesterreicher einen Mann von ihren Truppen zurückgezogen, vielmehr alles, was sie nur noch in der Ukraine und in Ungern regen können, noch heraus und gegen Mich gezogen haben. Da Ich nun aus allem, so Ihr in Eurem Schreiben meldet, wohl so viel ersehen, dass es der Pforte so wenig als dem Grossvezier aus denen von Euch in Eurem Bericht hin und wieder angeführten Ursachen jemalen ein rechter Ernst gewesen, mit Mir zu schliessen und zu einer wirklichen Diversion zu schreiten, und dass aus der Ursache eine Cheville nach der andern vorgesuchet worden, um Mich mit Hoffnung zu unterhalten, den Krieg zwischen Mir und Meinen Feinden indess zu trainiren, um dadurch von einem Jahre in das andere Zeit zu gewinnen, dass nach dem Frieden zwischen Mir und Meinen Feinden diese denen Türken nicht selbst zusammen auf den Hals fallen die angegebene Differenz zwischen dem Grossvezier und dem Mufti scheint Mir auch nichts anders als ein concertirtes Spiel zwischen beiden zu sein, um Euch damit zu amusiren :

Bei solchem Umstände sollet Ihr also dem Grossvezier, nach Eurem eigenen Vorschlage, nur von Meinetwegen in energiquen Terminis, so viel es sich dort thun lasset, declariren, dass, da Ich aus dem Erfolg und der Art, wie man mit Mir ohnerachtet Meiner besten Intention vor das Interesse und der Ehre der Pforte [verführe,] sähe, dass man Mich nur amusiren, nie aber etwas solides vor Mich thun wolle, Ich Euch befohlen hätte, Euch nur gleich bei der Pforte zu congediiren und von Konstantinopel zurückzubegeben. Wann der Grossvezier den Schluss der Alliance bloss auf die Briefe von dem König von Engelland aus<566>setzen wollte, so wäre dergleichen vor Mich offensant und wider Meine Dignität, dass, wenn Ich als Souverän eine Alliance mit einer Puissance schliessen wollte, Ich erst von einer andern, so zu sagen, eine Intercession beibringen sollte, und dass Ich also unter solchem Prätext Mich nicht länger vergeblich amusiren lassen würde. Ich würde inzwischen alle Hochachtung und Freundschaft vor die Pforte behalten, Mich aber aus gegenwärtigem Kriege Selbst mit Gottes Beistand zu ziehen suchen und entweder darin mit dem Degen in der Faust gegen Meine Feinde sterben oder einen rühmlichen Frieden, so gut Ich könnte, schliessen, und würde es Mir leid thun, wenn hiernächst die sublime Pforte regrettiren sollte, Meine Alliance und Freundschaft gleichsam von sich gestossen und durch unzeitiges Amusiren so grosse Avantages verloren zu haben, da sonsten selbst die Gesetze ihres grossen Propheten, wie Ich nicht anders wüsste, mit sich brächten, dem Bruder, der sie gegen Unterdrückung um Schutz und Hilfe bäte, solche nicht zu versagen.

Ihr sollet alsdenn auch Ostentation machen, als ob Ihr wirklich einpacken und weggehen wolltet. Wann Ihr aber sehet, dass sie Euch alsdenn sehr bitten und gute Worte geben, nicht wegzugehen noch abzubrechen, so sollet Ihr Euch deshalb embarrassiret stellen und endlich thun, als ob Ihr es vor Euch alleine auf Euren Kopf nehmet, noch zu bleiben und zu hören, was sie im Ernst und mit Effect thun wollen.

Denn Ich Euch, jedoch zu Eurer höchst secreten Instruction, davon Ihr gegen keiner Seelen, am wenigsten gegen die Türken und Interprètes, etwas äussern müsset, nur noch so viel sagen will, dass, wenn Ihr es, da doch nichts reelles von den Türken geschehen wird, nur so weit halten könnet, dass sie durch beständige Armirung, Reise nach Adrianopel und durch Zusammenziehung von Corps hier und da gegen die Grenzen denen Oesterreichern und denen Russen Ombrage geben, als ob die Pforte mit ihnen brechen und einfallen könnte, und solches sich bis in kommenden Winter hinziehet, Ich davon schon zufrieden sein will und im Winter alsdenn Meinen Frieden dadurch um so eher und besser machen kann. Dabei Ich jedoch allemal honnet gegen die Pforte handeln und vielleicht nach gemachtem Frieden noch eine defensive Alliance mit ihr zu schliessen suchen werde, woferne sie Mich nicht verächtlich tractiret.

Was zeither hier in unserer Campagne passiret ist, solches habt Ihr aus der Beilage566-1 zu ersehen.

Friderich.

P. S. Damit auch einmal der Missverstand wegen derer Schreiben von dem König von Engelland, so die Türken an den Sultan und an den Grossvezier verlangen, ein Ende haben und nicht länger zur Cheville, womit sie Euch amusiren, dienen möge, so wisset Ihr selbst, dass zuerst der Grossvezier solches nur als eine Nebensache und bloss<567> Compliment gehalten hat, wodurch der Tractat und die Operation nicht aufgehalten werden sollte. Ich muss auch rühmen, dass des Königs von Engelland Majestät mit Mir in dem genausten Vernehmen stehen und wir als rechtschaffene Alliirten ein Interesse mit einander und erstere nichts mehr gewünscht haben, als dass Mein Tractat mit der Pforte geschlossen werde. Ich habe versprochen, wegen obgedachter Briefe nach Londen zu schreiben; solches ist geschehen. Man hat Meinem Minister geantwortet, dass, so bereit man auch dazu sei, sich dennoch noch kein Exempel fände, dass ein König von Engelland an einen Grossvezier, noch so, wie verlangt worden, an einen Sultan geschrieben, sondern alles durch die Insinuations der Gesandten geschehen sei. Ihr wisset, dass die englischen Minister und selbst der König nicht alles thun können, was sie wollen und gut finden, sondern sich in gewissen Sachen nach dem Parlament und nach der Nation richten, auch das Commercium nicht in Gefahr setzen müssen. Eine Beisorge, dass die Türken üblen Gebrauch wegen des letzteren von solchen Briefen machen dörften, hat also die Sache aufgehalten. Das Parlament drum zu fragen, macht ohnzeitigen Éclat; in der Sache selbst wegen Meiner Allianz helfen solche Briefe zu nichts, weil es keine Garantie, sondern Complimente. Alles darauf aussetzen zu wollen, ist wider Meine Dignité, und die Zeit Mir zu helfen würde vorbei sein, ehe Ich nochmals deshalb nach Londen schreiben, solche Briefe von daher erhalten und sie nach Konstantinopel kommen könnten. Es bleibt also bei Meiner heutigen Instruction.

Nach dem Concept.



565-1 Vom 29. August ein Schreiben an de Catt in den Œuvres, Bd. 24, S. 3.

566-1 Jedenfalls eine Abschrift der Relation Nr. 12317.