12797. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Meissen, 5. April 1761.

...Des Prinz Ferdinand Durchlaucht haben nunmehro an des Königs Majestät [geschrieben] und das ganze Détail von Dero gehabten Désastre auf solche bewegliche Art gemachet, dass ich vor meine Wenigkeit davon recht sehr attendriret worden bin; wie dann auch des Königs Majestät Selbst davon recht sehr touchiret worden seind und den Prinzen auf eine consolante [Art] und sehr gracieux geantwortet haben.312-2 Derselbe beschweret sich zum höchsten über die wenige Capacité und Intelligence der mehristen von seinen Generals, deren schlechte Harmonie und extreme Nonchalance in Befolgung ihrer Ordres. Er klaget dabei zum höchsten über das Commissariat, so von der schlechtesten Capacité, faul und nicht vom Fleck zu bringen wäre, dabei nur seinen Beutel füllete, nicht aber sowohl von dem Prinzen als von vielen andern dependirete, die es protegirten und die mehrentheils wiederum ihre Protections und Freunde in Engelland hätten. Bloss der absolute Mangel von der Subsistance habe ihn obligiret, den Rückmarsch zu nehmen, da die Armee nicht mehr als nur auf einige wenige Tage die indispensableste Subsistance haben können. Er ist wieder hinter der Diemel postiret; seine Situation stellet er schlecht vor: ein Corps von ohngefähr 30000 Mann, mit welchem er gegen zwei feindliche Corps zu agiren haben werde, daher er, ohne einen Renfort von 25000 zu bekommen, nicht wisse, wie er sich werde souteniren können. Mit der englischen Rekrutirung sei ihm wenig geholfen; sie käme sparsam und fielen weg wie die Fliegen.

Ich hoffe, dass der Prinz alles dieses fidèlement nach Engelland geschrieben haben werde. Vielleicht giebt dieses Gelegenheit, dass man dorten mehr Empressement als bisher zum Frieden bezeiget und auch dortigerseits einen Schritt gegen Frankreich thut, um sich darunter zu rencontriren, daferne nur sonsten Frankreich noch in gleichem Empressement dazu geblieben ist. Des Königs Majestät schreiben daher in Dero jetzigen Dépêche an den Herrn von Knyphausen,312-3 dass ohnerachtet Dero Absicht nicht sei, von dem englischen Ministerio zu fordern, dass es von seiner<313>seits den Anfang machen solle, directement an Frankreich Propositions zum Frieden zn thun und dadurch seine Dignité zu exponiren, er, der Herr von Knyphausen, doch den Versuch thun und denen Ministern proponiren soll, ob sie sich nicht dazu eines Ministers in Paris, es sei des englischen313-1 oder des spanischen, oder auch sonsten einer dritten Hand bedienen wollten, der vor sich mit dem Duc de Choiseul explicire und die Gelegenheit dazu von denen französischen in Schweden publiquement geschehenen Declarationen nehmen und letzterwähnten Minister sondiren sollte, wie weit man solches von Seiten Frankreichs nunmehro realisiren und sich mit Engelland deshalb verstehen wolle, da man das Ministère von guter Disposition und geneigt finden würde, eine Négociation mit Frankreich zu entamiren. Des Königs Majestät meinen, dass alsdenn der französische Minister sich doch expliciren müsse und man wenigstens werde sehen können, wie man mit Frankreich wegen des Friedens oder einer Continuation vom Kriege daran sein werde. Des Königs Majestät haben sonsten Ew. Excellenz Muthmaassungen von dem bisherigen und jetzigen Zusammenhang wegen der geschehenen französischen Declarationen sehr goutiret, ich habe auch auf Höchstderoselben Ordre das nöthige deshalb aus Ew. Excellenz Schreiben extrahiren und solches der heutigen313-2 Dépêche an den Herrn von Knyphausen inseriren müssen, dem ich denn auch fast verbotenus gefolget bin.

Eine nur heute an den König eingegangene geheime Nachricht von ganz guter Hand confirmiret in verschiedenen Stücken dasjenige, was Ew. Excellenz aus einem Schreiben von dem Herrn Baron von Münchhausen dem König communiciret haben,313-3 so dass Höchstdieselbe anfangen, demselben mehr Glauben beizulegen, als es anfänglich geschienen, und sérieux darauf reflectiren. Ich finde diese Nachrichten so curieux, dass ich mich nicht habe entbrechen können, zu Ew. Excellenz weiterer Speculation darüber einen Extract daraus zu fertigen und in Vertrauen hierbei zu legen. Ich muss aber zugleich Dieselbe auf das höchste bitten, mir das grosseste Secret gegen jedermann ohne Ausnahme, wer es auch sein möge, zu menagiren. Ich würde auch Anstand genommen haben, Ew. Excellenz davon Communication zu thun, wenn ich Dero Gnade gegen mich nicht kennete, und sonsten es selbst vor des Königs Dienst fast nothwendig hielte. Dieselbe davon zu informiren. Der Autor dieser Nachrichten ist sonst jemand, der sich selbst in Wien geraume Zeit aufgehalten und dessen Stand und Qualität ihm Gelegenheit gegeben, dasjenige zu erfahren, was man sonsten auch wohl vor Minister zu cachiren pfleget. Dieser Canal aber würde auf einmal verdorben sein, wenn das geringste davon transpirirete, und, wollte Gott! ich wäre nicht selbst darunter vor des Königs Majestät etwas en peine. Ich bitte nur noch, gedachten meinen Extract nach geschehener Durchlesung sogleich zu verbrennen.

Ich habe oben vergessen zu erwähnen, wie der Prinz Ferdinand noch schreibet, dass er die Belagerung von Cassel deshalb aufheben müssen, weil, wenn er einige wenige Tage damit und dennoch ohne Effect trainiret hätte, sodann die ganze Belagerungsartillerie dem Feinde zu Theil geworden wäre. Der Prinz ist nicht allerdinges mit dem Grafen von der Lippe zufrieden, dass derselbe aus gar zu grossem Ménagement vor die Stadt bei 25 Tage tranchée ouverte sich noch nicht einmal von einigem Aussenwerke Meister gemachet habe. Nach einem Schreiben des regierenden Herzogs von Braunschweig aber scheinet der Landgraf von Hessen ganz beruhiget über die dortigen Désastres zu sein, da Cassel nur nicht verbrannt worden . ..

[Eichel berichtet weiter über das Treffen bei Saalfeld, wovon er „umständliches“ melden werde, wenn die Expedition Schenckendorffs auf Plauen beendet sein werde. Vergl. Nr. 12795 und Nr. 12804.] Ich habe in dem königlichen Schreiben an den Herrn von Knyphausen nichts davon erwähnen können; wenn es die Zeit vergönnete, so dörfte es doch gut sein, ihm ein kleines Billet deshalb beizulegen . . .

Eichel.

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Extract eines Schreibens vom 1. April.314-1

Man ist in Wien sehr niedergeschlagen und fürchtet, dass die Spanier und Piemonteser ihnen eine Diversion in Italien machen werden; doch hofft man, dass es durch Vermittelung des französischen Hofes auf eine oder andere Art beigeleget werden und nicht zum öffentlichen Ausbruch kommen würde.

Es ginge auch die Rede, dass der König von Spanien eine Erzherzogin heirathen werde, jedoch verlangete derselbe, theils vor sich selbst, theils vor seinen Bruder, den Don Philipp, das ganze Florentinische, die Herzogthümer Parma und Piacenza, auch Guastalla und das Mantuanische; wohergegen dem Kaiser als ein Aequivalent vor das Florentinische ein Theil von Mailand und das übrige von diesem Herzogthum an den König von Sardinien zu einer Schadloshaltung vor das ihm im Aachener Frieden versprochene abgetreten werden solle. Man sei auch in Wien nicht ganz abgeneiget, etwas von diesen italienischen Staaten an die Krone Spanien abzutreten; da aber die Prétention zu stark wäre, so sei ein Gesandter nach Madrid gegangen, der darüber zu tractiren und einen Vergleich zu treffen suchen solle. Worauf man also mit grosser Ungeduld wartete und das beste hoffte. In Hungarn müsste es gleichfalls nicht richtig sein; ob es aber nur eine Art von Revolte der Nation sei oder ob man wegen der Türken besorget wäre, sei nicht zu erfahren, indem es bei Lebensstrafe verboten wäre, das mindeste von dergleichen zu sprechen.

Hingegen ginge auch eine Rede, dass eine Friedensunterhandlung mit Preussen anzufangen vor sei, und dass man absolument diesem Kriege ein Ende machen wolle und müsse, weil es zu sehr an Gelde fehle, und man auch durch den Frieden mit Preussen die Kron Spanien von dem wirklichen Ausbruch eines Krieges abzuleiten oder vielmehr im Zaum zu halten gedächte.

Dass sich ein Corps Russen mit dem Laudonschen Corps conjungiren und in Schlesien gemeinschaftlich agiren sollte, davon habe Referent in Wien nichts gehöret, wohl aber, dass der General Laudon eine Linie en forme eines Retranchements mit Redouten in Böhmen von Trautenau aus über Pölitz, Braunau auf Silberberg, nach Wartha, bis gegen Weidenau und Johannsberg ziehen lasse, um dadurch den Eingang in der Grafschaft Glatz zu verwahren. Sonsten werde in Wien noch immer stark von einem Stillstand der Waffen gesprochen, nach welchem Dresden ganz leicht besetzet bleiben und die österreichsche Armee sich an die böhmische Grenze, die Preussen aber bis Torgau zurückgehen und diese Gegend alsdenn ganz neutral bleiben würde.

Sit fides penes auctorem!

Nach der Ausfertigung.



312-2 Nr. 12794.

312-3 Nr. 12792.

313-1 Verschrieben fur: „holländischen“ .

313-2 Verschrieben für: „gestrigen“ . Vergl. Nr. 12792.

313-3 Bericht Finckensteins, d. d. Magdeburg 2. April, auf Grund eines Schreibens von Münchhausen, d. d. Hannover 29. März.

314-1 Vergl. S. 311. Anm. 4.