<115> Volk, das an Elend und Seuche hinstarb, Lebensmittel und Hilfe zu verschaffen. Doch die beiden. Minister blieben unzugänglich. Sie schlugen es ihm rundweg ab, daß für 100 000 Taler Korn gekauft würde, um wenigstens die Bewohner von Königsberg zu unterstützen. Der Kronprinz war über die Abweisung heftig erbittert und beschloß, die gewissenlosen Minister zu verderben. Er setzte alle Hebel in Bewegung, um sie zu beseitigen. Das Glück hat seine Rückschläge, der Hof seine Stürme. Die Partei der Kameke, die den Grafen Wartenberg um die Königsgunst beneidete, war entzückt, daß sie das Gemeinwohl zum Vorwand nehmen konnte, um ihre ehrgeizigen Pläne zu verfolgen. Ein junger Hofmann aus der Familie Kameke, der öfters mit dem König Schach spielte, wußte ihm so viele Beschuldigungen gegen beide Minister beizubringen und wiederholte das so oft, daß Wittgenstein auf die Festung Spandau geschickt und Wartenberg verbannt wurde1. Der König vergoß Tränen, als er sich von seinem Oberkammerherrn trennte, den er sehr liebte. Wartenberg zog sich mit einer Pension von 20 000 Talern in die Pfalz zurück und starb bald nach seinem Sturz.

Im Norden hatte Karl XII., wie schon berichtet, die Neutralität abgelehnt. Der Zar, die Könige von Polen und Dänemark benutzten das als Vorwand, um die Schweden in Pommern anzugreifen. Friedrich I. weigerte sich standhaft, ihrem Bündnis beizutreten. Er wollte seine Staaten nicht den Einfällen, Plünderungen und Zufälligkeiten des Krieges aussetzen. Er hoffte sogar, durch seine Neutralität Vorteil aus den Zwistigkeiten seiner Nachbarn zu ziehen. Der Beginn der kriegerischen Operationen war ihnen nicht günstig. Die Dänen hoben die Belagerung von Wismar auf, August die von Stralsund und Stettin.

Während Europa derart in Zuckungen lag, während Hoffnung, Eigennutz und Ehrgeiz Zwietracht in die Herzen beider Parteien säte, starb Kaiser Josef (1711). Das Reich wählte zu seinem Nachfolger Erzherzog Karl. Der war in Spanien zum König gekrönt worden, hatte die Schlacht von Almansa verloren (1707), war aus Madrid vertrieben worden und wurde jetzt gerade in Barcelona belagert.

Josefs Tod ebnete dem allgemeinen Frieden die Wege. Die Engländer begannen der endlosen Ausgaben müde zu werden. Je mehr die Wolken ihrer Begeisterung sich zerstreuten, um so klarer erkannten sie, um was sich dieser Krieg drehte. Sie kamen zu der Überzeugung, das Haus Österreich sei noch immer mächtig genug, wenn es seine Erblande, das Königreich Neapel, die Lombardei und Flandern behielte. So entschlossen sie sich zu Verhandlungen in Utrecht, die den Frieden herbeiführen sollten.

König Friedrich I., der den Streit um die manische Erbschaft durch einen endgültigen Vertrag aus der Welt schaffen wollte, ging nach Kleve, um die Angelegenheit mit dem Fürsten Friso zu ordnen. Allein der unglückliche Fürst ertrank beim Übersetzen über den Moerdijk, als er nach dem Haag unterwegs war. Dafür machte


1 Der Minister Ernst Bogislaw von Kameke führte, unterstützt von dem Obersten Paul Anton von Kameke, 1710 Wartenbergs Sturz herbei.