<136> Sequestrierung dem König zu übertragen, sei gegen die Reichsgesetze, da er selbst die Anwartschaft auf Mecklenburg habe1. Der Zar erklärte darauf, er werde niemals dulden, daß ein Fürst, der in seine Familie hineingeheiratet habe, unterdrückt werde. Friedrich Wilhelm mußte sich in der Angelegenheit vor allem deshalb Zurückhaltung auferlegen, weil der König von England so klug war, bei den Friedensverhandlungen, die Preußen in Schweden führte, den Vermittler zu spielen. Dieser mußte damals also mit großer Schonung behandelt werden. So kam es, daß die Hannoveraner die Durchführung der Sequestrierung behielten, deren Kosten sie auf etliche Millionen berechnen. In diesem Zustand verblieb die Sache, und jetzt, da wir diese Geschichte schreiben, hat sich noch nichts daran geändert.

Wiewohl der Friede zwischen Preußen und Schweden noch nicht geschlossen wurde, war er doch so gut wie hergestellt. Der König, der die Ruhe seines Staates gesichert sah, begann nun erst wahrhaft zu regieren, das heißt, für das Glück seines Volkes zu sorgen. Er haßte die unruhigen Geister, deren ungestüme Leidenschaften so weit um sich greifen, als die Macht der Ränke reicht. Er strebte keineswegs nach dem Ruf der Eroberer, die nichts als den Ruhm lieben, wohl aber nach dem der Gesetzgeber, die nichts anderes vor Augen haben als das Gute und die Tugend. Der geistige Mut, der zur Abstellung von Mißbräuchen und zur Einführung nützlicher Neuerungen in der Verwaltung so notwendig ist, verdiente nach seiner Meinung den Vorzug vor der Tapferkeit aus Temperament, die den größten Gefahren trotzt, ohne Furcht zwar, doch oft auch ohne Bewußtheit. Die Spuren, die sein weises Wirken in seinem Lande hinterließ, werden dauern, solange der preußische Staat besteht2.

Friedrich Wilhelm verwirklichte nun sein militärisches System und verknüpfte es so innig mit der ganzen übrigen Organisation, daß man an das Heerwesen nicht rühren konnte, ohne den Staat selbst der Gefahr des Umsturzes auszusetzen. Um die Weisheit dieses Systems beurteilen zu können, wird es vielleicht nicht unnütz sein, den Gegenstand hier ein wenig näher zu erörtern.

Seit der Regierung Friedrichs I. hatten sich eine Menge von Mißbräuchen in den Abgaben eingeschlichen. Sie waren ein Gegenstand der Willkür geworden. Im ganzen Staat wurde der Ruf nach einer Reform laut. Bei der Untersuchung zeigte es sich, daß keinerlei Grundsatz für die Einschätzung der Kontribution3 bestand, daß für die Grundbesitzer an manchen Orten die Abgaben auf demselben Fuß belassen waren, auf dem sie vor dem Dreißigjährigen Krieg gestanden hatten, während alle Eigentümer der zahlreichen Ländereien, die seitdem angebaut waren, verschieden besteuert wurden. Um die Lasten im richtigen Verhältnis abzustufen, ließ der König alle anbaufähigen Felder genau vermessen und stellte innerhalb der verschiedenen Klassen


1 Vgl. S. 18.

2 Vgl. die erste Fassung dieses Absatzes im Anhang (Nr. 1).

3 Die Kontribution war im wesentlichen eine Grundsteuer, die von den Bauern entrichtet wurde. In den Städten dagegen wurde die Akzise, eine indirekte Steuer, bezahlt.