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Der Kurfürst hatte einen Vergleich mit dem Pfalzgrafen von Neuburg zu schließen versucht. Allein bei einer Zusammenkunft der beiden1 gab ihm Johann Sigismund in der Hitze des Wortgefechts eine Ohrfeige. So geriet die Sache von neuem in Verwirrung. Aus diesem sonderbaren Vorgang mag man die Höflichkeit und die Kultur jener Zeit ermessen. Im Jahre 1611 suchte man in Jüterbog mit dem Kurfürsten von Sachsen einen Vergleich über dieselbe Erbfolge zustande zu bringen, doch die Fürsten blieben aus2; denn die Zusammenkünfte waren bedenklich geworden. Aber der Pfalzgraf von Neuburg erhob Einspruch wider diesen Vertrag, und er gelangte niemals zur Ausführung.

Herzog Albrecht Friedrich von Preußen, Maria Eleonorens Gatte und Johann Sigismunds Schwiegervater, hatte das traurige Schicksal, geisteskrank zu werden. Joachim Friedrich hatte Preußen verwaltet, seit dies Unglück über den Herzog gekommen war3. Nach ihm übernahm Johann Sigismund dies Amt. Vom polnischen König Sigismund III. wurde er für sich und seine Nachkommen mit Preußen belehnt (1611). Das war die dritte Belehnung, die dem kurfürstlichen Haus zuteil ward.

Da Preußen durch Johann Sigismund an das Haus Brandenburg kam, wird es an der Zeit sein, mit wenig Worten einen Begriff davon zu geben, was Preußen ursprünglich war, wie es regiert wurde und wie es an Herzog Albrecht Friedrich, den Schwiegervater des Kurfürsten, gelangte.

Der Name „Borussia“, woraus man Preußen gemacht hat, setzt sich zusammen aus „bo“ gleich „bei“ und „Russia“: die „Ruß“, ein Arm des Niemen, der jetzt die Memel genannt wird. Preußen wurde ursprünglich von Böhmen, Sarmaten, Russen und Wenden bewohnt. Diese Völkerschaften steckten noch in der rohesten Abgötterei: sie beteten die Gottheiten der Wälder, der Seen und Flüsse, ja selbst Schlangen und Elentiere an. Ihr bäurisch wilder Glaube wußte nichts vom Tempelbau. Der Kult ihrer Hauptgötzen, Potrimpos, Percunos und Picollos, hatte seine Stätte unter Eichen. Dort waren ihre Abbilder aufgestellt, zu Romove beispielsweise und zu Heiligenbeil. Ihren falschen Göttern opferten die Preußen sogar ihre Kriegsgefangenen. Der heilige Adalbert war der erste, der diesem Volk (um das Jahr 1000) das Christentum predigte. Er erwarb sich die Märtyrerkrone. Nach Crispus4 haben drei Könige von Polen, alle drei Boleslaw geheißen, die Preußen bekriegt, um sie zu bekehren. Aber die wurden durch die Kriege nur abgehärtet. Sie verwüsteten Masovien und Kujavien.

Herzog Konrad von Masovien wandte sich nach Deutschland und rief die Ritter des Deutschordens zu Hilfe, deren Hochmeister damals Hermann von Salza war.


1 Auf dem Schloß in Düsseldorf 1613.

2 Christian II. von Sachsen war in Jüterbog zugegen; der Vertrag wurde am 21. März 1611 geschlossen.

3 Joachim Friedrich übernahmdie vormundschaftliche Regierung erst nach dem Tode des Markgrafen Georg Friedrich von Ansbach ( † 1603), der sie bis dahin geführt hatte.

4 Die Quelle ist vielmehr das „Chronicon Prussiae“ des Ordenspriesters Peter von Dusburg.