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Alles, was die entfesselte Willkür des Soldaten zu ersinnen vermag, wenn nichts mehr seine Wut aufhält, alles, was wüsteste Grausamkeit den Menschen eingeben kann, wenn blinde Raserei sich ihrer Sinne bemächtigt, all das ward damals von den Kaiserlichen in der verheerten Stadt verübt. Die Soldaten rannten truppweise mit blanker Waffe durch die Straßen und mordeten unterschiedslos Greise, Weiber und Kinder, solche, die sich verteidigten, und solche, die ihnen keinerlei Widerstand entgegensetzten. Die Häuser wurden geplündert und verwüstet, die Straßen mit Blut überschwemmt und mit Toten bedeckt. Man sah nichts als noch zuckende Leichname, zu hohen Haufen getürmt oder nackt hingestreckt. Die Todesschreie der Schlachtopfer und das Wutgeschrei der Mörder mischten sich schauerlich in den Lüften.

In der grauenvollen Schlächterei kamen die meisten Bürger um. Es retteten sich nur vierzehnhundert, die sich in dem Dom eingeschlossen hatten und von Tilly begnadigt wurden. Den Metzeleien folgten die Feuersbrünste. Von allen Seiten stiegen die Flammen empor, und nach wenigen Stunden bildeten Bürgerhäuser und öffentliche Gebäude nur noch einen einzigen Aschenhaufen. Aus dem allgemeinen Brand rettete man kaum hundertundvierzig Häuser. Zwölfhundert Mädchen ertränkten sich, so wird erzählt, um ihre Jungfräulichkeit zu bewahren. Aber das gehört unter die Märchen, die zu Herodots Zeit mehr Aussicht auf Erfolg hatten als in der unseren.

Ganz Deutschland, Freund und Feind, beklagte das Schicksal der Stadt und beijammerte das furchtbare Ende der Bewohner. Die Grausamkeit der Kaiserlichen erregte um so tieferen Abscheu, als die ganze Geschichte nur wenige Beispiele solcher Unmenschlichkeit darbietet.

Nach dem Untergang Magdeburgs bezog Gustav Adolf zum zweitenmal ein Lager bei Berlin. Er war außer sich, daß er die mit ihm verbündete Stadt nicht mehr zu retten vermocht hatte, und schrieb die Schuld den Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen zu. Georg Wilhelm entsandte die Kurfürstin und alle Prinzessinnen seines Hofes ins Lager des Königs von Schweden, um ihn zu besänftigen. Schließlich ging er selbst dorthin und bewilligte dem König alles, was dieser von ihm erlangen wollte. Als der Kurfürst sich wieder nach Berlin begab, grüßte ihn das schwedische Heer mit einer dreifachen Kanonensalve. Da die Geschütze mit Kugeln geladen und gegen die Stadt gerichtet waren, wurden viele Häuser und Dächer durch die Geschosse beschädigt. Die Einwohner fanden diese Artigkeit ein wenig gotisch-herulisch. Am folgenden Tag ging das schwedische Heer über die Spree und zog durch die Stadt.

Der Kurfürst entschuldigte sein Verhalten bei Ferdinand II. mit dem Hinweis, er sei nicht imstande gewesen, sich gegen die Gewalttätigkeit eines mächtigen Fürsten zur Wehr zu setzen, der ihm mit dem Schwert in der Hand seinen Willen diktiert hätte. Der Kaiser erwiderte trocken, die Schweden würden die Mark nicht behutsamer anfassen, als die Kaiserlichen es getan hatten.