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Des Kurfürsten wunderbare Rührigkeit machte die Verluste bald wert. Am 9. Januar 1679 bricht er von Berlin auf und setzt sich an die Spitze der 9 000 Mann, mit denen Derfflinger vorausmarschiert war. Am 20. überschreitet er die Weichsel. Vor ihm her geht der Schrecken seines Namens, der den Schweden furchtbar geworden. Bei seinem Nahen gerät Horn in Verwirrung. Er gibt die Hoffnung auf, dem Sieger von Fehrbellin zu widerstehen, zieht sich zurück, und seine Truppen verlieren den Mut. Görtzke nutzt diese Verwirrung aus, folgt ihm, beunruhigt ihn, hält ihn auf. Die einreißende Unordnung kostet den Schweden 8 000 Mann. Bauern, die sich dem Görtzkeschen Korps in großer Zahl angeschlossen hatten, fielen über die Nachzügler und über alle her, die sich vom schwedischen Heer entfernten, machten sie zu Gefangennen oder schlugen sie tot.

Der Kurfürst, der keinen Augenblick müßig blieb, stand am Ufer des Frischen Haffs. Er hatte Schlitten herrichten lassen, auf die er seine ganze Infanterie in der Schlachtordnung, in der sie kämpfen sollte, verlud. Zu beiden Seiten ritt die Kavallrie, dem Kurfürsten folgend, der auf diese seltsam neue Art täglich sieben deutsche Meilen zurücklegte. Der Schlittenzug eines Heeres über das glatte Eis eines Meerbusens, den noch zwei Monate vorher Schiffe aller Länder — von Preußens Handel herbeigezogen—durchkreuzt hatten, bot einen verblüffenden Anblick. Der Marsch des Kurfürsten mit seinem Heer glich dem Schauspiel eines prachtvollen galanten Festes: auch die Kurfürstin und ihr ganzer Hof fuhren auf Schlitten mit. An allen Orten, die der Kurfürst berührte, wurde er als der Befreier des Vaterlandes begrüßt.

In Labiau angekommen, entsandte er Oberst Treffenfeld1 mit 5 000 Reitern, um die Schweden festzuhalten, bis der Kurfürst sie einholen konnte. An ein und demselben Tage legte Friedrich Wilhelm den bedeutenden Weg über das Kurische Haff zurück. Am 30. Januar stand er mit seiner Infanterie drei Meilen von Tilsit, wo die Schweden im Quartier lagen. Noch am gleichen Tage erfuhr er, daß Treffenfeld zwei feindliche Regimenter bei Splitter geschlagen und ihnen 28 Fahnen2 und Standarten, 2 Paar Pauken und 700 Troßwagen entrissen hatte3.

Von Treffenfeld geschlagen, von Görtzke beunruhigt, durch die Nähe des Kurfürsten eingeschüchtert, ließen die Schweden Tilsit im Stich und zogen sich auf Kurland zurück. Görtzke holte ihre 1 400 Mann starke Nachhut zwischen Schanzenkrug und Coadjuten ein und vernichtete sie völlig4. Er kehrte von der einen, Treffenfeld von der anderen Seite zum Kurfürsten zurück, beide mit Trophäen beladen. Sie brachten die Beute des Feindes wieder und führten viele Gefangene mit sich.


1 Joachim Hennigs, nach der Schlacht bel Fehrbellin mit dem Namen Hernigs von Treffenfeld in den Adelsstand erhoben.

2 Anmerkung des Königs: „Entweder waren die Schweden äußerst zusammengeschmolzen, da sie soviel Fahnen bei einem so schwachen Korps hatten, ober es hat sich ein Rechenfehler eingeschlichen. Ich hätte Bedenken getragen, diese Tatsache zu berichten, wäre sie nicht durch mehrere Berichte in dem Königlichen Archiv bestätigt.“

3 30. Januar 1679.

4 Gefecht bei
     Telcze, 7. Februar 1679.