<210> und den Frieden des Staates zu sichern. Mein Gewissen ist so rein, daß ich mich nicht scheue, meine Gedanken laut auszusprechen und die geheimsten Triebfedern meiner Seele offen darzulegen.

Jedermann weiß, daß die Wirren, die Europa aufwühlen, ihren Anfang in Amerika genommen haben, daß der zwischen Engländern und Franzosen ausgebrochene Streit um den Stockfischfang und um einige unbebaute Gebiete in Kanada den Anstoß zu dem blutigen Kriege gegeben hat1, der unseren Erdteil in Trauer versetzt. Jener Krieg war von den Besitzungen der deutschen Fürsten so weit entfernt, daß sich schwer einsehen läßt, wie der Brand von einem Weltteile zu einem andern übergreifen konnte, der scheinbar gar keine Verbindungen mit ihm hat. Dank der Staatskunst unseres Jahrhunderts gibt es aber gegenwärtig keinen Streit in der Welt, so klein er auch sei, der nicht in kurzer Frist die gesamte Christenheit zu ergreifen und zu entzweien vermöchte.

Indes kommt es hier nicht auf Erörterung allgemeiner Fragen oder auf leere Deklamationen an. Man muß sich an Tatsachen halten und an den Gegenstand herangehen.

Das Jahr 1755 sah Preußen im Bunde mit Frankreich und Schweden. Die Königin von Ungarn hatte nichts im Sinne als die Wiedergewinnung Schlesiens, auf das sie in zwei formellen Verträgen verzichtet hatte. Sie setzte ganz Europa gegen uns in Bewegung. Sie war mit England und Rußland verbündet. Durch die englischen Guineen hatte sie die Moskowiter zu alljährlichen Demonstrationen an den Grenzen Livlands und Kurlands gebracht. Der König von Polen hatte als Kurfürst von Sachsen sein Geschick so eng mit dem des Hauses Österreich verknüpft, und seine Erbitterung gegen Preußen war so bekannt, daß man von seiner Seite nur verräterische Handlungen gewärtigen konnte. Das heißt, es war zwar nicht anzunehmen, daß er sich gleich zu Anfang gegen Preußen erklären, wohl aber, daß er das erste Unglück benutzen würde, um uns zugrunde zu richten. Dazu kam ihm die Lage seines Landes ungemein zustatten. Während des Friedens war ich vom Jahre 1748 bis zum gegenwärtigen Kriege über alle Intrigen der feindlichen Höfe unterrichtet, ja ich hatte ihre gesamte Korrespondenz in Händen2. Das ist klar und erwiesen durch die Dokumente zur Rechtfertigung meines Verhaltens, die gedruckt und in aller Händen sind3.

Als der Krieg in Amerika zwischen Frankreich und England ausbrach, sah ich voraus, daß ich Schritt für Schritt hineingezogen werden könnte, und beschloß alles zu tun, was in meinen Kräften stand, um nicht in diesen Streit verwickelt zu werden. Seit dem Herbst des Jahres 1755 fürchteten die Franzosen, die Überlegenheit zur See über die Engländer nicht erringen zu können. Sie planten daher, den König von England in seinen deutschen Besitzungen anzugreifen, in der Hoffnung, die Zwistig-


1 Vgl. S. 29 ff.

2 Vgl. S. 22. 36.

3 Vgl. S. 43.