<31>tümer, wegen der Stellen, die er zu vergeben hatte, und endlich wegen des an seinen Besitzungen haftenden Rechtes, eine große Anzahl von Parlamentsmitgliedern zu ernennen. Der Herzog von Cumberland glaubte den Herzog von Newcastle am leichtesten beseitigen zu können, wenn er die Nation in einen Krieg mit Frankreich verwickelte. Dann kam der Minister in die Zwangslage, die drückenden Staatsschulden noch zu vermehren, und dadurch erhielt die Opposition eine Handhabe zu Beschwerden. Außerdem hoffte Cumberland, die Verantwortung für alle Mißerfolge, die sich am Anfang eines Krieges so leicht einstellen, dem Minister aufbürden zu können und ihn so durch unaufhörlichen Verdruß und Verfolgungen zum freiwilligen Verzicht auf seine Würden zu bringen.

Der Plan war weitaussehend und verwickelt. Um ihn zur Ausführung zu bringen, mußten zunächst die Streitigkeiten zwischen beiden Nationen so verschärft werden, daß es zum Kriege kam. Das war nicht schwer. Schon der bloße Name Frankreich versetzt das Londoner Volk in Wut. Zündstoff war also in Menge vorhanden und fing schnell genug Feuer. Bald zwang das aufbrausende, jähzornige Volk den König Georg zu einigen Rüstungen. Ein Schritt zog unmerklich den anderen nach sich. Es kam zu Tätlichkeiten; Gewaltakte zogen Gegenmaßregeln nach sich. Kurz, um die Wende des Jahres 1754 schien der Krieg zwischen beiden Völkern unvermeidlich. Indes merkte man doch, daß sich das Versailler Ministerium maßvoller und nachgiebiger benahm und daß das Unrecht ganz auf seiten der Engländer lag.

Angesichts des drohenden Krieges suchten beide Herrscher ihre Position zu stärken, alte Bündnisse zu befestigen oder neue zu schließen. So bewarben sich sowohl England wie Frankreich um die Freundschaft Preußens. Die Allianz mit dem Versailler Hof war noch nicht abgelaufen1, doch waren die Besitzungen der Franzosen in Amerika von den preußischen Garantien ausgeschlossen. Unter solchen Umständen schien es, als sollte Preußen in jenen Wirren neutral bleiben und die Rolle des bloßen Zuschauers spielen. Aber so dachte man in Versailles nicht! Der französische Hof sah das Verhältnis des Königs von Preußen zu Frankreich etwa so an, wie das eines Hospodars der Walachei zur Türkei, d. h. es betrachtete ihn als Vasallen, der Krieg führen muß, sobald es ihm befohlen wird. Außerdem glaubte man in Versailles, den König von Großbritannien zur Nachgiebigkeit zwingen zu können, wenn man das Kurfürstentum Hannover mit Krieg überzog. So sollte also mitten im Deutschen Reich ein Streit ausgetragen werden, der sich um die englischen und französischen Besitzungen in Amerika drehte. Um den König von Preußen zur Teilnahme an dieser Diversion zu bewegen, sagte Rouillé, der französische Minister des Auswärtigen, eines Tages zu Knyphausen2: „Schreiben Sie an den König von Preußen,“


1 Der Breslauer Vertrag vom 5. Juni 1741 (vgl. Bd. II, S. 79 f.) war auf 15 Jahre geschlossen worden.

2 Dodo Heinrich Freiherr zu Inn- und Knyphausen, preußischer Gesandter in Paris.