<61> Kreatur des Prinzen. Aber der neue Zustand, dem jeder innere Halt fehlte, war auf die Dauer unmöglich. Fox selbst gab die mit soviel Intrigen für ihn eroberte Stellung auf, und der Herzog von Newcastle trat wieder in sein Amt. Dieser Ministerwechsel hätte indessen keine weiteren Folgen gehabt, wäre dadurch nicht eine Art Stagnation in die Staatsgeschäfte gekommen. Die Minister und die Großen des Reiches bekümmerten sich nämlich weit mehr um ihre Parteiinteressen als um die Maßnahmen gegen Frankreich. Ihr Haß galt weit mehr ihren Rivalen als den Feinden des Landes, und so trafen sie gar keine Anstalten zum bevorstehenden Feldzuge. Niemandem fiel es ein, Pläne für den bisher so unglücklichen Seekrieg zu entwerfen, und noch viel weniger für den Krieg, der ganz Deutschland in Flammen zu setzen drohte. Nichts war dem König von Preußen in diesem Augenblicke wichtiger, als daß die Engländer Vorbereitungen zum Kontinentalkrieg träfen. Da er im großen und ganzen voraussah, worauf die Operationen des französischen Heeres im Reiche hinauslaufen würden, sandte er dem König von Großbritannien einen selbstentworfenen Plan zur gemeinsamen Verteidigung Deutschlands1. Seine Denkschrift umfaßte die folgenden Punkte. Der König schlug vor, Wesel zu behaupten und es zum Waffenplatz der Verbündeten zu machen, weil man von dort aus den Rheinübergang beherrschte. Die Armee sollte an einem geeigneten Ort hinter der Lippe zwischen Wesel und Lippstadt zusammengezogen werden; denn in dieser Stellung hatte man den Vorteil, die Truppen nach Bedarf gegen den Rhein oder gegen die Weser verwenden zu können. Marschierten die Franzosen nach Hessen, so konnte die Armee an der Lippe sie durch einen Vorstoß gegen Frankfurt von ihrem Vorhaben abbringen. In der Zeit aber, wo die Armee der Alliierten durch ihre Operationen vom Rhein ferngehalten wurde, sollte die Festung Wesel den Franzosen zu schaffen machen, bis man ihr zu Hilfe kommen konnte. Überdies war es, solange Wesel sich hielt, nicht wahrscheinlich, daß die französischen Truppen am Niederrhein allzu tief in Westfalen eindrangen. Aber der König von England, der sich mit solchen Dingen wenig befaßt hatte, las den Plan durch, ohne seine Wichtigkeit zu begreifen. Ja, der Vorschlag, Wesel zu behaupten, machte ihn mißtrauisch gegen die Gründe des Königs von Preußen. Dagegen setzte er blindes Vertrauen in seine hannöverschen Minister, die ihm unaufhörlich vorstellten, man müsse sich auf die Verteidigung der Weser beschränken. Die Idee war grundfalsch, denn die Weser ist fast überall durchwatbar, und das hannöversche Ufer wird von dem gegenüberliegenden beherrscht. Was also auch Münchhausen2 anführen mochte: die Natur verbot jedem einsichtigen Feldherrn die Verteidigung des hannöverschen Ufers. Trotzdem drang Münchhausens Rat durch. Nur eins wurde beim König von England durchgesetzt: seine Zustimmung zur Rückkehr der hannöverschen und hessischen Truppen nach Deutschland3.


1 Vgl. Anhang, Nr. 11.

2 Freiherr Gerlach Adolf von Münchhausen stand als hannöverscher Kammerpräsident an der Spitze des Kollegiums der acht Geheimräte, die für Georg II. die Regentschaft in Hannover führten.

3 Vgl. S. 35.