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Das mangelnde Einvernehmen zwischen Preußen, England und Hannover zwang den König von Preußen zur Veränderung seiner Maßnahmen in bezug auf das Herzogtum Kleve und die Festung Wesel. Da er Wesel nun aufgeben mußte, ließ er einen Teil der Festungswerke schleifen und die zahlreichen Festungsgeschütze zu Wasser nach Magdeburg schaffen. Die Garnison erhielt Befehl zur Räumung der Stadt und zum Rückzug nach Bielefeld. Dort sollte sie sich im nächsten Frühjahr der Armee der Alliierten anschließen, die sich unter dem Herzog von Cumberland in der Gegend versammeln sollte.

Nachdem die hannöverschen Minister eine solche Probe ihres Einflusses auf den König von England abgelegt hatten, war es klar, daß man sich an sie wenden mußte, wenn man wirklich bis zur Quelle der Entscheidungen vordringen wollte. Für die Armee des Herzogs von Cumberland stand alles zu befürchten. Wurde sie doch nicht sowohl vom Herzog als von einem Schwarm von Juristen geführt, die nie ein Lager gesehen, nie ein Buch über Kriegskunst gelesen hatten, sich aber einem Marlborough und Eugen ebenbürtig wähnten. Die preußischen und englischen Interessen waren zu eng verknüpft, als daß der König von Preußen den falschen Entschlüssen seiner Alliierten gleichmütig zusehen konnte. Aber noch hoffte er ihnen vorbeugen zu können, und zu dem Zweck sandte er General Schmettau1 nach Hannover. Schmettau machte den dünkelhaften und unwissenden hannöverschen Ministern die energischsten Vorstellungen, um sie von ihrem Feldzugsplan abzubringen. Er bewies ihnen dessen Mängel, sagte die Folgen voraus. Doch umsonst! Hätte man Arabisch mit ihnen gesprochen, sie hätten ebensoviel verstanden. Bei ihrem beschränkten Gesichtskreise fehlte ihnen jedes logische Denkvermögen. Sie waren außerstande, einer militärischen Darlegung zu folgen, und ihr enger Geist machte sie mißtrauisch. Die Furcht, in einer ihnen unbekannten Materie hintergangen zu werden, bestärkte sie noch in ihrer natürlichen Halsstarrigkeit, mit der sie an ihrer Meinung festhielten. Kurz, Schmettaus Sendung scheiterte völlig.

An dem folgenden Beispiel mag der Leser sich selbst ein Urteil über die Art dieser Verhandlungen und über die Leute bilden, mit denen Schmettau zu tun hatte. Er fragte, welche Vorkehrungen zur Verproviantierung der Armee getroffen wären. Münchhausen antwortete: „Wir haben einige Mehlvorräte, und wir haben 100 Bauernwagen aufgeboten, um den Truppen das Brot zuzuführen.“ Dabei überstieg das Korps der Verbündeten 30 000 Mann. Es hätte 300 Brotwagen und 400 Karren zum Mehltransport nötig gehabt. Solche Maßregeln ergriffen die unwissenden und dummen hannöverschen Minister gegenüber den starken französischen Kräften, die gegen sie ins Feld rücken sollten!

Aber der geheime und wahre Beweggrund ihrer Lässigkeit war ein ganz anderer. Die Franzosen, schlauer als sie, hatten ihnen weisgemacht, daß sie nur durch ihr Land


1 Graf Karl Christoph Schmettau.