11859. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.

Freiberg, 24. Februar 1760.

Ueber Warschau unter dem Couvert von Mylord Stormont ist Mir das Duplicat Eures Berichtes vom 15. September, davon Ich aber bisher das Original noch immer nicht erhalten, nebst Eurem Bericht vom 24. des letzteren Decembermonates richtig zugekommen, auf welchen Ich Euch dann in möglichster Kürze hierdurch in Antwort ertheile, dass Ich von Eurem bisher treu continuirten Fleiss, Eifer und Application in der Euch aufgetragenen Commission zum höchsten zufrieden bin und Mich dessen bei vorfallenden künftigen Occasionen dankbarlichst und auf das gnädigste erinnern werde.

Zu Eurer ferneren Instruction aber dienet Euch nachstehendes: dass zuvorderst Ihr wissen müsset, jedoch aber niemanden dorten etwas davon sagen, noch weiter etwas äussern sollet, als Ihr es vor gut und ganz ohnumgänglich nothwendig findet, in etwas davon und so gut wie Ihr es solchenfalls werdet einkleiden können, zu äussern, dass durch die Länge und Schwere des Krieges, davon Mir die Zeit her die grosseste und schwereste Last fast ganz allein auf dem Halse gelegen, Mir es endlich ohne weitere Assistance doch alleine zu souteniren zu schwer fallen wird und Ich durch die grosse Supériorité Meiner Feinde, als der Oesterreicher, derer Russen, derer Kreisvölker, Schweden und anderer mehr, werde nothwendig succombiren müssen, daferne Mir nicht durch eine Diversion einer andern Puissance gegen Meine Feinde, und zwar bald, Luft geschaffet wird. Es hat zwar geschienen, als ob es zu einem Frieden gelangen könnte, nachdem Ich nebst der Kron Engelland denen Franzosen, Oesterreichern und Russen öffentlich declariren lassen, dass Engelland nebst Mir die Hände dazu bieten würden, wenn man sich über dem Orte eines Congresses werde verstanden haben, um daselbst auf einen generalen Frieden zu arbeiten. Es hat auch geschienen, als ob Frankreich dazu sehr geneigt wäre, zumalen da es den grössesten Theil seiner Possessionen in Amerika an die Engelländer verloren, diese die französischen Flotten fast gänzlich detruiret haben, die Finances in Frankreich ganz erschöpft sein, alles verschuldet und das Commercium ruiniret ist. Auch der russische Hof hat anfänglich dazu geschienen; der zu Wien aber hat es durch seine Verblendungen, Corruptionen und andern seinen Intriguen und Calomnien dahin zu bringen gewusst, dass sowohl der Hof zu Petersburg alle friedsame Gedanken wieder fahren lassen, auch Frankreich ohnerachtet seiner grossen Calamité auch wiederum mehr auf die P'ortsetzung des Krieges als auf einen ihm so nöthigen Frieden gedenket, mithin aus dem Congress nichts werden wird und durch eine unglaubliche Verblendung alle diese Puissancen ferner darauf arbeiten wollen, das Haus Oesterreich so übermächtig zu machen, dass, sobald Ich weg sein werde, und die Reihe<123> alsdenn die Ottomanische Pforte getroffen haben wird, auch solche unter die Füsse zu bringen, alsdenn der Wienersche Hof allen seinen übrigen Nachtbaren Gesetze geben und sie in seine Sclaverei bringen wird.

Dieses alles habe Ich Euch vorher schreiben müssen, damit Ihr begreifet, dass höchst periculum in mora sei, wenn Ihr mit der Pforte etwas zu Stande bringen und solche zu einem Bruch oder zu einer Diversion bewegen könnet und wollet, ja dass, wenn sonst die Pforte dadurch vor ihre eigene Sicherheit sorgen will, solches sehr bald und höchstens in dem künftigen Frühjahre geschehen muss. Ich thue zwar alles auf der Welt mögliche, um Mich zu souteniren, und habe deshalb Meine Armee und was dazu erfordert wird, wieder im Stande gesetzet, werde auch gewiss es an nichts fehlen lassen, um Mich gegen Meine Feinde vigoureux und bis auf den letzten Mann mit aller Bravour zu defendiren. Ihr werdet doch aber auch selbst ermessen, dass, wenn Ich von so vielen überall an Truppen so stark überlegenen Feinden an allen Orten zugleich attaquiret werde, ohne einige Assistance zu bekommen, Ich alsdenn nothwendig endlich succombiren müsse und es mit Mir ohngefähr sich noch bis im Julio oder August, aber auch länger nicht, halten könne. Welchen letzteren Umstand Ihr dennoch vor Euch alleine behalten und nichts davon sagen, sondern nur Eure Rechnung darnach machen müsset.

Was die Punkte anbetrifft, worüber Ihr bei Mir angefraget habet, da hätte Ich gewiss gerne gewünschet, dass Ihr Eurer letzteren Dépêche eine chiffrirte Abschrift von denen sieben Articuln, so Ihr dem Grossvezier ubergeben und welche er dem Grosssultan vorgelesen, in Abschrift in extenso mit beigeleget hättet, damit Ich um so füglicher nochmalen darüber urtheilen können; wie aber nunmehro die Zeit dazu nicht mehr da ist, Ich auch von Eurer Treue und Dextérité versichert bin, dass Ihr alles darunter Meiner Intention und Euren vorigen Instructions gemäss eingerichtet haben werdet, so ist Euch nur noch wegen derer übrigen Anfragen hierdurcli zur positiven Resolution, dass erstlich Ihr selbst ermessen werdet, dass mit einem simplen Freundschaftstractat mit der Pforte Mir in denen jetzigen Umständen, wo Ich prompte und baldige Assistance haben muss, nicht sonderlich gedienet sei. Eine offensive und defensive Alliance mit der Pforte zu schliessen, ist Meines Wissens bis dato nicht gebräuchlich gewesen, und würde, um damit recht zu Stande zu kommen, mehr Zeit und Weitläuftigkeit erfordern, als es jetzo die Umstände und die difficile Correspondenz leidet, auch würde der Namen einer offensiven und defensiven Allianz seine Inconvenientien haben. Das prompteste aber und das nützlichste vor beide contrahirende Theile ist, dass Ihr einen ordentlichen Defensivtractat zwischen der Pforte und Mir schliesset, nach welchem wir uns gegen unsere Feinde, die uns in unsern Possessionen angreifen, gleich prompte Hilfe mutuellement nachdrücklich leisten, und die Pforte<124> Mir Meine Länder und Provinzien, so wie Ich solche vor dem jetzigen Kriege besessen, garantire, im übrigen Mir sogleich jetzo nachdrückliche Assistenz leiste und nicht zugebe, dass Ich von einigen Meiner Staaten und Provinzien beraubet, noch durch die Menge Meiner Feinde unterdrücket werde.

Wann Ihr dergleichen Tractat prompt und baldigst zu Stande bringen, zugleich aber es auch dahin bringen könnet, dass die Pforte noch gleich im Frühjahr dieses jetzigen Jahres Mich wirklich, es sei durch eine Ruptur mit einer gegen Mich kriegenden feindlichen Puissance oder aber auch durch eine Diversion gegen eine oder beide von solchen, assistiret, so autorisire Ich Euch hierdurch, dass Ihr solchenfalls bis 500000 Reichsthaler dazu anwenden könnet, die Ich Euch alsdenn prompt remittiren würde, und davon Ich Euch die Disposition überlasse, wie Ihr solche zu Erreichung Meines Zweckes employiren und repartiren werdet. Ob der Tractat in eins oder aber die essentiellen Articul in einem zugleich zu schliessenden geheimen separaten Tractat gezeichnet werden, solches ist Mir einerlei, und überlasse Ich solches Eurem Gutfinden, wenn nur gleich der reelle Effect erfolget.

Ingleichen ist es Mir einerlei, ob die Pforte mit denen Oesterreichern oder mit denen Russen brechen will, wiewohl Mir ersteres wegen ihres eigenen Vortheis in Absicht auf das Banat am liebsten wäre. Ebenso ist es wegen der Diversion; ob solche gegen die Oesterreicher oder gegen die Russen, durch türkische Armeen oder durch die Tartern geschiehet, solches ist Mir ebenmässig einerlei. Ihr könnet der Pforte alle Versicherung geben, dass, wenn sie en faveur Meiner bricht und Mich dadurch assistiret, Ich keinen Frieden eher schliessen werde, ohne dass dieselbe in solchen mit eingeschlossen werde; wie Ich denn solchenfalls die Pforte gewiss nicht verlassen, noch solche zu Meinem eigenen Schaden und wider Mein Interesse Meinen und ihren Feinden sacrifiiren werde. Sollte es auch zu einem generalen Frieden kommen, so wird ein gleiches von Mir religieux beobachtet werden. Geschähe, dass der Tractat, den Ihr vor Mich mit der Pforte schliesset, eine solche Impression auf die mit Mir kriegende Puissances machete, dass, ehe es noch einmal von Seiten der Pforte zu einiger wirklichen Thätlichkeit ausbräche, jene sich zu einem redlichen und billigen Frieden offerireten, so werde Ich solchenfalls Euch sogleich durch einen expressen Courier davon avertiren lassen, damit Ihr der Pforte davon Nachricht gebet, und diese ihre Mesures darnach und das weitere Concert mit Mir nehmen könne.

Daferne es auch wider alles jetzige Vermuthen noch zu einem Friedenscongress zwischen denen jetzo kriegenden christlichen Puissancen käme, werde Ich Euch, auch die Pforte, davon durch einen an Euch zu sendenden Courier benachrichtigen lassen. Kurz, Ich werde allemal und zu aller Zeit mit der Pforte, wenn dieselbe in ein Bündniss mit Mir tritt, de bonne foi, aufrichtig und gerade heraus gehen, so wie Ich<125> Mir solches von ihrer Seite wiederum verspreche; nur muss die Pforte, wenn Ich von ihr und sie hergegen von Mir wirkliche und reelle Assistance haben soll, es so einrichten, dass sie ihre kriegerische Demonstrationes schon in dem nächstkommenden Monat April öffentlich sehen lässet, allenfalls auch nur mit denen Tartern alsdenn anfanget, sonsten aus obigen, Euch schon vertrauten Ursachen es damit zu spät kommen dörfte, zumalen da die Russen drohen, schon mit Anfang des Monates März mit zweien Corps, und zwar mit dem einen gegen Pommern und auf Colberg, mit dem andern aber nach Schlesien operiren zu wollen, zu dem Ende sie fast noch alles übrige von Truppen aus der Ukraine herausziehen und auf Warschau marschiren lassen wollen;125-1 die Oesterreicher aber in solchem Monate zugleich hier in Sachsen gegen Mich, mit denen Reichstruppen gegen Thüringen und mit denen Russen zusammen in Schlesien agiren wollen. Wie denn, wann denen bisherigen Nachrichten zu trauen, die Franzosen zu gleicher Zeit mit zwei Armeen gegen die Engelländer und Alliirten im Reiche, und zwar mit einer gegen Hessen und Hannover und mit der anderen am Niederrhein agiren wollen.

Alles übrige und selbst vorstehendes überlasse Ich Eurer guten Einsicht, Ueberlegung und Direction, nach der Kenntniss, so Ihr am besten von denen dortigen Umständen habet, um alles zu dem von Mir erwünschten Zweck zu führen; dahergegen Ihr auch solchenfalls von aller Meiner vollkommenen und distinguirten Dankbarkeit versichert sein könnet, und dass Ich Euch nach glücklich ausgeführeter Sache so setzen werde, dass Ihr lebenslang davon zufrieden zu sein Ursach haben und Eure Treue auf eine eclatante und vergnügliche Art belohnet sehen sollet.

Was das von Euch gemeldete Betragen von M. Porter anbetrifft,125-2 da ist Mir solches ohnbegreiflich und muthe fast, wie er nicht gerne siehet, dass seine Landesleute wegen ihres Commercii mit denen Russen aus der Connexion kommen sollen, aus Furcht, dass die Franzosen solches an sich ziehen möchten. Wiewohl nun diese Furcht ohngegründet, und er dabei nicht zu überlegen scheinet, dass, wenn es unsern gemeinschaftlichen Feinden, und besonders denen Oesterreichem und Russen, gelücken sollte, Mich allererst übern Haufen zu werfen und das ganze Teutsche Reich dadurch ersteren unter die Füsse zu bringen, die Russen aber durch den Besitz von Meinem und von Danzig [nebst] dem Polnischen Preussen sowohl [über] ganz Polen als Schweden und Dänemark nebst denen Küsten des Baltischen Meers die Oberherrschaft erhalten und diese Länder als dependente Provinzien ansehen würden, alsdenn der ganze Contre-coup auf Engelland und die Possessions des Königs in Teutschland wegen der gar zu grossen Supériorité derer Feinde zurückfallen und es seinen ganzen Lustre verlieren, auch es mit<126> seinem ganzen Commercio gethan sein würde: daher denn auch ein jeder treuer und rechtschaffener Engelländer alle Efforts thun sollte, sich dergleichen verderblichen Absichten zu widersetzen und darauf zu arbeiten, solche noch, weil es Zeit ist, durch alle Mittel zu unterbrechen, mithin seine Augen nicht auf temporäre Kleinigkeiten, sondern auf die grosse Sache und auf den beständigen Flor von Engelland und dessen Commercio zu richten. Ihr sollet indess mit M. Porter ganz behutsam umgehen und Euch niemalen mit ihm commettiren, noch weniger brouilliren, vielmehr allemal complaisant und klüglich gegen ihn verfahren, indess seine Actiones stille und behutsam observiren, dabei, was Eure Negociation anbetrifft, davon gegen ihn mehr oder weniger sprechen, wie Ihr urtheilen werdet, dass es der Grossvezier bei zumal weiterem Progress in der Sache wird gerne sehen wollen.

Von den Ministris in Engelland bin Ich sonsten vollenkommen versichert, dass dieselbe es mit Mir und mit unserer gemeinschaftlichen Sache recht aufrichtig und ohne Verstellung meinen, die Wichtigkeit der Sache und die oben gemeldete Suiten davon, wenn Ich succombiren sollte, gründlich einsehen, deshalb mit Mir ganz vertraulich handeln und Mir alle Assistance, so ihnen nur möglich ist, procuriren. Ich werde auch mit ihnen über das, was zwischen Mir und der Pforte jetzo vorgehet, vertraulich communiciren und bin gewiss zum Voraus versichert, dass sie alles genehm halten und secondiren werden. Nur muss der Schluss und der Effect Eurer Negociation dadurch nicht aufgehalten werden, weil gar zu viel und, so zu sagen, die einige noch übrige Zeit, der Sache noch durch die Assistance der Pforte aufzuhelfen, verloren gehen und es der Gast nach dem Essen sein würde. Ich bin Euer gnädiger König

Friderich.

Ich werde von dieser Dépêche an Euch über Breslau ein Duplicat durch den Euch schon bekannten Hintzen126-1 zugleich abgehen lassen. Was neues vorfället, wird Euch der Minister Graf Finckenstein communiciren, und ist Euch nur noch zur Direction, dass Ich zwar in dem vorigen Jahre einige Unglücksfälle und noch im November das126-2 bei Maxen gehabt habe, wie es im Kriege ohne dergleichen nicht abgehen kann, dass aber die Oesterreicher dabei zugleich keine Seide gesponnen, sondern allemal sehr considerablen Verlust gehabt, den Meinigen davon aber jedesmal mehr als zehnmal höher ausgeschrien haben, als er gewesen, um nur, ihrer prahlerischen Gewohnheit nach, das Publicum damit aufzusetzen; wie Ich dann auch, gottlob! bis dato noch Meister von Sachsen bin, ausser Dresden, so halb durch Unglück halb durch vielleicht andere Zufalle im vorigen Jahre, da Ich fast gar keine Truppen in Sachsen hatte, verloren gegangen, welche Stadt zu erhalten, sie sich auch entschliessen müssen, in dem kleinen Bezirk da herum mit ihrer<127> ganzen Armee den ganzen Winter hindurch theils zu campiren, theils zu hundert und mehr in einem Hause in den wenigen Dörfern da herum zu cantonniren und ihre Subsistance, da sie nichts aus Sachsen ziehen können, mit ohnsäglicher Mühe und Kosten über das Gebirge aus Böhmen kommen zu lassen, wodurch sie sich ein starkes Sterben unter ihren Leuten zugezogen und die Pferde bei der Kavallerie fast gänzlich ruiniret haben.

Ich recommandire Euch zum Schluss nochmals hoch und sehr, dass Ihr die Sache mit denen Türken und wögen deren reellen Assistance mit allem äussersten Eifer und menschmöglichsten Fleisse betreiben und zur guten Endschaft bringen sollet, da Ihr nun bis auf 500000 Thaler dazu anwenden könnet.

Wegen der Armateurs, worüber die Pforte sich beschweret hat, dass solche im dortigen Archipelago Excesse ausgeübet,127-1 da ist Euch zur Nachricht, dass solches eigentliche Leute von englischer Nation sein, so die Freiheit erhalten, auf schwedische, französische und toscanische Schiffe zu kreuzen, weiter aber nichts; daher denn auch, wenn sie Excesse begehen sollten, sie allemal dorten gestrafet werden können, ohne dass Ich Mich derer annehmen werde, vielmehr soll ihnen alles von dergleichen Excesse, sonderlich gegen alle Unterthanen der Pforte, nochmal scharf verboten werden.

Nach dem Concept.



125-1 Vergl. Nr.11854.

125-2 Vergl. Nr. 11862.

126-1 Vergl. Bd. XVIII, 257.

126-2 So.

127-1 Vergl. Nr. 11863.