<128> zu rauben. Aber der König von Dänemark wollte das Geschwader, das er in jenen Gewässern hatte, keinem Kampf aussetzen. Diese Voraussetzung der Belagerung führte zu langwierigen Verhandlungen. So leicht es ist, einem scharfsichtigen Menschen die Notwendigkeit einer Sache mit guten Gründen zu beweisen, so schwierig, um nicht zu sagen unmöglich, ist es, einen beschränkten Geist zu überzeugen, der sich selbst nicht traut und Furcht hat, die anderen möchten ihn irreleiten. Der Einfluß des Königs von Preußen auf den Geist des Dänenkönigs zwang diesen doch endlich zum Nachgeben, und so ward er Augenzeuge des Sieges, den sein Admiral über das schwedische Geschwader davontrug. Beide Könige waren Zuschauer der Seeschlacht, die eine Meile von der Küste stattfand und das Meer für die Verbündeten frei machte. Darauf unternahmen die Preußen unter General Arnim eine Landung auf der Insel Usedom, verzagten die Schweden und eroberten das Fort Peenemünde mit der blanken Waffe.

Als dies Hindernis beseitigt war, rüstete man sich zur Erstürmung der Schanzen. Zum Unglück für die Schweden fand sich ein preußischer Offizier, der den Angriff, die schwierigste und entscheidendste Aufgabe, bei der ganzen Belagerung, erleichterte. Der Offizier namens Gaudy, hatte zu der Zeit, da er auf der Stralsunder Schule den Unterricht genoß, oft in der Meerenge gebadet und erinnerte sich, daß sie in der Nähe der Verschanzung weder tief noch schlammig war. Um ganz sicher zu gehen, prüfte er nächtlicherweile nach. Er fand, daß man die Stelle durchwaten, die Verschanzung linker Hand umgehen und den Feind in der Flanke und im Rücken packen konnte1.

Der Plan wurde mit Erfolg durchgeführt. Die Schweden wurden bei Nacht angegriffen. Während ein Korps geradeaus auf die Verschanzung losmarschierte, zog ein anderes nahe am Ufer durchs Meer und stand in ihrem Lager, ehe sie dessen gewahr wurden. Durch die Überrumpelung, die bei allen nächtlichen Angriffen unausbleibliche Verwirrung, und vor allem durch das starke Korps, das ihnen in die Flanke fiel, wurden sie rasch in wilde Flucht getrieben. Sie verließen ihre Verschanzung und retteten sich in die Stadt. Karl XII. war in Verzweiflung, daß seine Truppen ihn im Stich ließen. Er wollte allein kämpfen. Seine Generale retteten ihn nur mit Mühe vor den nachsetzenden Belagerern. Alles, was nicht schleunigst Stralsund erreichte, ward getötet oder gefangen genommen. Mehr als 400 Mann fielen dabei in die Hände der Preußen.

Um die Stadt Völlig abzuschneiden, wurde nunmehr beschlossen, die Insel Rügen zu besetzen, da die Belagerten von dort noch einige Unterstützung erhalten konnten. Der Fürst von Anhalt setzte auf Transportschiffen mit 20 000 Mann über die Meer-


1 Auch in der „Geschichte meiner Zeit“ (vgl. Bd. II, S. 192 f.) schreibt der König das Verdienst an dem Erfolg des Sturmangriffs in der Nacht vom 4. zum 5. November 1715 dem bei Habelschwerdt 1745 gefallenen Obersten Andreas Eduard von Gaudy zu. Die zeitgenössischen Berichte nennen statt dessen den Generaladjutanten Oberstleutnant Maximilian August von Köppen.