<147> des Grafen Moritz von Sachsen, der durch die Wahl der Stände Herzog von Kurland geworden, von den Russen aber mit Gewalt aus seinem Land vertrieben wurde1. Es ist derselbe Graf von Sachsen, den wir als glänzenden Führer der Heere Ludwigs XV. kennen und dessen hohe Gaben die vornehmste Abkunft aufwiegen.

Im Jahre 1727 verlor Europa zwei gekrönte Häupter. Die Kaiserin Katharina starb, und ihr Nachfolger ward Peter Alexejewitsch, ein Enkel Peters I. Er war noch ein Kind und wuchs unter den Augen einiger Bojaren auf, die den alten Bräuchen ihres Volkes anhingen und dem jungen Fürsten eine Vormundschaft ohne Ende bereiteten. In England folgte Georg II. auf seinen Vater, der eben gestorben war.

Friedrich Wilhelm und Georg II. waren zwar großenteils zusammen aufgewachsen und außerdem Schwäger, aber von zarter Jugend an konnten sie einander nicht ausstehen. Als beide auf dem Thron saßen, drohte der persönliche Haß, die starke Antipathie zwischen ihnen Unheil über ihre Völker zu bringen. Der König von England nannte den König von Preußen „mein Bruder Korporal“; Friedrich Wilhelm nannte den König Georg „mein Bruder Komödiant“. Die feindselige Gesinnung übertrug sich bald von den Personen auf die Staatsgeschäfte und verfehlte nicht, bei den größten Ereignissen mitzuspielen. Es liegt im Los aller menschlichen Dinge, daß sie von leidenschaftlichen Menschen gelenkt und daß ursprünglich kindliche Beweggründe zum Ausgangspunkt für eine Reihe von Vorgängen werden, die zu den größten Umwälzungen führen.

Bald nach Georgs II. Thronbesteigung kam Graf Seckendorff nach Berlin2. Als General diente er gleichzeitig dem Kaiser und Sachsen. Schmutziger Eigennutz beherrschte ihn; seine Manieren waren grob bis zum Flegelhaften; die Lüge war ihm so zur Gewohnheit geworden, daß er darüber den Gebrauch der Wahrheit verlernt hatte: eine Wuchererseele, die sich bald in dem Soldaten, bald in dem Diplomaten offenbarte. Nichtsdestoweniger bediente sich die Vorsehung gerade dieser Persönlichkeit, um den Vertrag von Hannover zu zerreißen. Seckendorff hatte in Flandern die Belagerung von Tournai mitgemacht und die Schlacht bei Malplaquet, an der auch der König teilgenommen hatte. Friedrich Wilhelm hatte eine ganz besondere Vorliebe für alle Offiziere, die er in jenem Krieg kennen gelernt hatte. Im Gespräch mit dem General beklagte er sich, daß seine Verbündeten ihm viel Grund zur Verstimmung gäben. Seckendorff ging sofort darauf ein, und es fiel ihm nicht schwer, die schlimmen Praktiken Frankreichs und namentlich Englands zu verdammen. Er stellte den Kaiser als einen Fürsten hin, der seine Verbindlichkeiten ernster nehme und als Freund zuverlässiger sei. Er malte dem König alle Vorteile


1 Schon 1725 hatten die Stände den Grafen Moritz zum präsumptiven Nachfolger des letzten Herzogs von Kurland, Ferdinand von Kettler, gewählt, doch Ferdinand starb erst 1737.

2 Schon 1726 war Graf Friedrich Heinrich Seckendorff nach Berlin gekommen und hatte den Abschluß des Vertrags von Wusterhausen zwischen Friedrich Wilhelm I. und dem Kaiser am 12. Ottober 1726 herbeigeführt.