<158> Macht über das Volk und ward epidemisch. Die Auswanderung vollzog sich zuguterletzt mehr aus Freiheitsdrang als aus Anhänglichkeit an eine Sekte. Der König siedelte die Salzburger in Ostpreußen an. Ohne die Motive ihrer Landesflucht zu untersuchen, bevölkerte er mit ihnen Gegenden, die unter der Regierung seines Vaters die Pest verheert hatte.

Der europäische Krieg war kaum beendet, als sofort ein neuer aufflammte, diesmal an den Grenzen Europas und Asiens. Die Tartaren, die unter türkischer Schutzherrschaft leben, machten häufig Einfälle in Rußland. Die Beschwerden der Zarin in Konstantinopel setzten den Feindseligkeiten kein Ziel. Schließlich ward sie dieser Kränkungen überdrüssig und schaffte sich selber ihr Recht. Lacy rückte gegen die Tartaren vor und nahm Azow. Münnich drang in die Krim ein, erstürmte die Befestigungen von Perekop und bemächtigte sich der Stadt, eroberte Bachtschisarai und verwüstete die ganze Tartarei mit Feuer und Schwert (1736). Doch bei dem Mangel an Wasser und Lebensmitteln und der sengenden Hitze jenes Klimas kamen viele Moskowiter ums Leben. In seinem Ehrgeiz achtete Münnich die Zahl der Soldaten, die er seinem Ruhm opferte, für nichts. Aber seine Armee schmolz zusammen, und das Übermaß des Elends, das die Russen erdulden mußten, machte die Sieger den Besiegten gleich.

Zu jener Zeit (1737) starb der letzte Herzog von Kurland aus dem Hause Kettler. Die Stände wählten zum zweitenmal den Grafen von Sachsen1, aber die Kaiserin von Rußland erhob Biron2 zum Herzog. Das war ein kurländischer Edelmann, der in persönlichen Beziehungen zur Kaiserin stand und kein anderes Verdienst hatte als das Glück, ihr zu gefallen.

Die Heere der Zarin blieben auch weiterhin siegreich gegen die Türken. Münnich belagerte Oczakow, das von 3 000 Janitscharen und 7 000 Bosniaken verteidigt wurde. Durch eine der Bomben, die er schleudern ließ, geriet zufällig das große Pulvermagazin der Stadt in Brand. Es flog augenblicklich in die Luft, und zugleich stürzten die meisten Häuser ein. Diesen Augenblick benutzte Münnich zum Hauptsturm auf die Stadt. Die Türken hatten sich von ihrer Bestürzung noch nicht erholt und konnten sich auf den engen Wällen dicht bei den brennenden Gebäuden nicht verteidigen. Sie wußten nicht, sollten sie erst die Feuersbrunst löschen oder den Sturm der Moskowiter abschlagen. In diesem Wirrwarr wurde die Stadt mit der blanken Waffe genommen, und die zügellose Soldateska verübte jegliche Grausamkeit, deren blinde Wut fähig ist.

Die ersten Erfolge der Russen über die Türken erweckten den Ehrgeiz der Österreicher. Man redete dem Kaiser ein, das sei der gegebene Augenblick, um die Türken von Ungarn aus anzugreifen. Wenn die Russen sie gleichzeitig vom Schwarzen Meer aus bedrängten, sei es um das osmanische Reich geschehen. Man setzte sogar


1 Diese Angabe beruht auf einem Irrtum des Königs. Vgl. S. 147, Anm. 1.

2 Ernst Johann Biron.