<63>dringen gegen Berlin gefaßt sein, wo nur wenig Truppen standen. Solch gefährlichen Absichten wollte Hülsen zuvorkommen. Er ging deshalb bei Torgau über die Elbe (26. September) und lagerte sich bei Jessen an der Mündung der Elster. Sofort nach seinem Abmarsch verbrannten die Feinde die Torgauer Brücke. Der Kommandant der Festung, Normann, versuchte nicht einmal, sich zu verteidigen und ergab sich in seiner Feigheit noch am gleichen Tage1. Dabei fielen die Besatzung von 800 Mann, viele Kranke und ein bedeutendes Magazin in die Hände der Kaiserlichen. Dann rückte der Prinz von Zweibrücken über die Elster, und Hülsen zog sich nach Koswig zurück, da er den Feinden in seiner Front und in seinem Rücken nicht gleichzeitig widerstehen konnte. Wie wir gleich hören werden, wurde er von Koswig nach Berlin gerufen. Sofort wurde Wittenberg belagert, aber der dortige Kommandant, Salenmon2, verteidigte sich tapfer und entschlossen. Die Feinde bombardierten die Stadt und legten drei viertel in Asche. Schließlich ging die Munition aus. Dennoch ergab er sich erst am 14. Oktober, nachdem er alles geleistet hatte, was man von einem Manne von Ehre erwarten durfte.

Der völlige Umschwung der Dinge in Sachsen und die Gefahr, die Berlin drohte, waren Gründe genug für den König, seinen Provinzen eiligst zu Hilfe zu kommen. Man war schon im Oktober. Es war also kaum anzunehmen, daß der in seinen Vorbereitungen so langsame Feind in der vorgeschrittenen Jahreszeit noch eine Belagerung beginnen werde, zumal in Schlesien all seine Maßnahmen vereitelt waren. Aller Wahrscheinlichkeit nach mußte der König also annehmen, daß er Schlesien ohne Gefahr verlassen könnte. Da nun seine Gegenwart anderswo so dringend nötig ward, rief er Wied aus Oberschlesien ab und verließ am 7. Oktober das Lager von Dittmannsdorf. Er marschierte über Bunzelwitz, Jauer, Konradsdorf und Primkenau nach Sagan und vereinigte sich dort am 11. mit Goltz. Dieser hatte aus später zu erwähnenden Gründen Werner nach Kolberg detachiert. Von Sagan marschierte die Armee des Königs über Guben nach Groß-Muckro, wo sie am 15. Oktober eintraf. Der König wollte den Russen in den Rücken fallen und das ganze Korps aufreiben, das sich bis Berlin vorgewagt hatte. Aber das war unnötig; denn die Dinge nahmen eine andere Wendung. Tschernyschew und Tottleben waren über Guben und Beeskow marschiert und am 3. Oktober vor den Toren Berlins erschienen.

Der Prinz von Württemberg, der gegen die Schweden stand, hatte Wind davon bekommen. Seine Kriegführung gegen die Schweden blieb immer die gleiche. Ging der Feind über die Peene, so wurde eins seiner Detachements geschlagen. Dann ging er wieder zurück, um an einem anderen Punkte vorzurücken. Kurz, es ereignete sich auf diesem Kriegsschauplatze nichts, was die Aufmerksamkeit der Nachwelt verdiente. Als der Prinz von Württemberg von dem Vormarsch der Russen erfuhr,


1 Vielmehr am 27. September 1760.

2 Generalmajor Konstantin Nathanael von Salenmon, Chef eines Freiregiments.