<45> Hauptwall beherrschten. Sie säuberten ihn rasch von allen sich dort zeigenden Verteidigern. Die Kanonen schossen bereits Bresche, und eine Bombe setzte das Dach der Kreuzkirche in Brand. Es stürzte ein, und das ganze Stadtviertel brannte nieder. Eine andere Bombe setzte die Pirnaische Straße in Flammen. Auch sie wurde durch die Feuersbrunst fast völlig vernichtet. Weitere Geschosse fielen in die Schloßstraße und verursachten dort großen Schaden. Tausend Bomben und tausend Zentner Pulver mehr, und die Belagerung wäre glorreich beendigt worden. Aber es stand wohl im Buch des Schicksals geschrieben, daß die Preußen Dresden nicht wieder erobern sollten.

Bald traf die Meldung ein, Daun habe plötzlich Schlesien verlassen und rücke in Eilmärschen zum Entsatz Dresdens heran. Bei seiner Annäherung wurde die Stellung auf dem Weißen Hirsch aufgegeben. Sehr zur Unzeit verzögerten sich die leichten Truppen beim Abzuge. Im Walde beim Fischhaus wurden sie angegriffen und verloren ungefähr 500 Mann (19. Juli). In derselben Nacht ließ der König den Prinzen von Holstein über die Elbe gehen und eine Stellung zwischen Löbtau und Unkersdorf einnehmen. Denn sobald sich Daun dem anderen Elbufer näherte, mußte man durchaus Streitkräfte bei Unkersdorf haben, um den Durchmarsch durch den Plauenschen Grund frei zu halten, ohne daß der Feind ihn streitig machen konnte. Gleichzeitig wies der König den Truppen andere Lagerplätze an. Ein Teil der Armee nahm gegenüber Lacy und dem Prinzen von Zweibrücken Stellung, der andere lagerte nach dem Großen Garten zu, errichtete dort Verhaue und dehnte sich über Räcknitz bis in die Nähe von Plauen aus. Nun tauchte Daun auf dem Weißen Hirsch auf und besetzte das andere Elbufer hinter Dresden und zu beiden Seiten der Stadt. In der Nacht vom 21. zum 22. Juli schickte er 16 Bataillone zu einem Angriff gegen die Preußen in der Pirnaer Vorstadt. Darauf war der König gefaßt. Er hatte seine Truppen so aufgestellt, daß sie den Feind gebührend empfangen konnten. Der Angriff fand statt, doch wurden die Österreicher zurückgeschlagen und verloren 300 Mann, darunter ihren Führer, General Nugent. Ein Bataillon vom Regiment Anhalt-Bernburg hatte bei der Belagerung seine Schuldigkeit nicht getan. Zur Strafe durfte es den Säbel nicht mehr tragen. Diese für jeden ehrliebenden Soldaten empfindliche Züchtigung machte guten Eindruck bei der Armee und feuerte das Bataillon an, seinen Fehler wieder gutzumachen. Dazu fand sich, wie wir später hören werden, Gelegenheit in der Schlacht bei Liegnitz1.

Ein seltsames Geschick schien in diesem Feldzuge zu wollen, daß kleine Vorteile der Preußen beständig durch bedeutende Verluste wieder aufgewogen wurden. Selbst der beim Angriff auf die Pirnaer Vorstadt gefangene General Nugent brachte dem König eine Hiobspost, die Eroberung von Glatz durch Feldzeugmeister Harsch2. Die Nachricht klang zwar unglaubhaft, wurde jedoch bald von Schlesien aus bestätigt. D'O, der


1 Das I. und II. Bataillon des Regiments Anhalt-Bernburg, das einst der Alte Dessauer geführt hatte, wurden von dieser Strafe betroffen. Die Rückgabe der verlorenen Ehrenzeichen findet jedoch bei der Schilderung der Schlacht bei Liegnitz keine Erwähnung.

2 Glatz fiel am 26. Juli 1760.